Kostenloser Versand

Abendliche Spazierfahrt

Im Oktober 2020 schrieb ich die "Abendliche Spazierfahrt" direkt nach meinem Erlebnis auf.

Im November 2021 wirkte die Stadt abends noch recht ähnlich und auch ich bin immer noch damit beschäftigt alten Kram zu sichten, zu sortieren und möglichst abzulegen in vielerlei Hinsicht. Dennoch konnte ich auf einem Abendspaziergang in einem der Schaufenster meine eigenen Produkte sehen.

Ich kann's kaum glauben !!!!! 

Auf der Freifläche für neue Performance, die ich mir 2020 erhofft hatte, habe ich mutig die Idee mit den Bücherstapeln entwickelt und etliche Produkte im Voraus gestaltet, um einen kleinen Katalog zu ermöglichen. Dank der tatkräftigen und treuen Unterstützung meines lieben Mannes ging unser Shop im Sommer 2021 tatsächlich online und durch die Ausstellung einer kleinen Produktauswahl in besagtem Schaufenster wurde Ende Dezember der erste Kauf getätigt.

Wie gesagt: der Anfang ist gemacht.

"Abendliche Spazierfahrt"

Die Stadt ist Ende Oktober, um 22:30 Uhr nicht mehr so wohl gesinnt wie im Sommer um diese Zeit. Da konnte man bei noch angenehmer Temperatur im T-Shirt bis rüber in die Oststadt fahren, vor sich hinpfeifen und sich an den Leuten freuen, die noch im netten Kontakt draußen unterwegs waren oder gemütlich in Parks oder Biergärten beisammensaßen.

Jetzt ist die Stadt um diese Zeit ein wenig unheimlich. Die Gastro nutzt noch ihre letzten Öffnungstage. Vor den Kneipen stehen Trauben von Leuten, natürlich zu dicht, in mancherlei Hinsicht, beieinander. Es nieselt. Viele Schaufenster haben keine Beleuchtung und die übrigen wirken irgendwie traurig. Die wenigen Leute, die so spät noch unterwegs sind, sind entweder Paare, Hand in Hand noch etwas frische, kühle Nachtluft schnappen, späte Heimkehrer vom Job, eilig unterwegs zum wohligen Heim und verschiedene andere. Manche von ihnen wirken, als würden sie wahrlos herumirren, andere suchen Schutz vor dem Nieselregen unter den Vordächern und die nächsten schlendern wie abwesend an den Schaufenstern entlang. Die vorbeifahrende Straßenbahn ist bis auf zwei Fahrgäste leer. Einige nehmen Dich gar nicht wahr, manche nehmen kurze, uninteressierte Notiz von Dir und ein paar haben einen seltsam verstohlenen oder gar bösen Blick. Dann radelst Du automatisch etwas zügiger weiter und fühlst Dich seltsam, wenn jemand Deine Wegstrecke teilt. Bedrohlich. An den Straßenbahnhaltestellen sitzen sie in ihren Daunenjacken, gekrümmt über ihrem Handy und mit ihrem hochgezogenen Mundschutz wirken sie wie Täter. Von was? Willst Du nicht wissen. Die Stadt ist wie schon gesagt im Nieselregen im Oktober um diese Uhrzeit nicht mehr so wohl gesinnt wie im Sommer. Also schau, dass Du zügig und unauffällig nach hause kommst!

Ich bin längst zu hause und merke, dass die Luft draußen frischer war.
In meiner Wohnung sieht es aus wie in meinem Leben.
Aus den hinterletzten, staubigen Ecken habe ich alten Kram wie Briefe, Fotos, diverse Tagebuchaufschriebe, vor Langem oder gar nie gelesene Bücher und ähnliche Sammlerstücke hervorgeholt und im Wohnzimmer abgestellt, um nicht zu sagen ausgebreitet. Das ganze Zeug gehört gesichtet, sortiert und dann entsorgt oder wohl aufbewahrt, an einem ihm zugeteilten Ort. Es stellt sich heraus, dass das ein Haufen Arbeit ist. Ein großer, stinkender, ja zuweilen bedrohlicher und spöttisch grinsender Haufen. Es wird seine Zeit dauern, bis er gänzlich abgetragen ist und das Wohnzimmer wieder frei für neue Ideen. Sozusagen eine Freifläche für neue Performance, aber der Anfang ist gemacht.